Mathe hat nichts mit Praxis zu tun? Und ob!

Mathematik praktisch angewandt

Das Max-Planck-Gymnasium auf den Spuren von Carl-Friedrich Gauß Auf dem MPG-Schulhof und im nahe gelegenen Stiftskirchenpark sind unbekannte Messinstrumente aufgebaut, um sie herum kleine Gruppen von Jugendlichen. Sie haben Klemmbretter und Stifte in der Hand und lauschen den Erläuterungen von zehn Männern und Frauen in blauen Polohemden: Es sind die Landvermesser des Ortenaukreises. Im Rahmen der Aktionswoche Geodäsie, die in diesem Jahr zum dritten Mal durchgeführt wird, ist Leo Komenda, Stellvertretender Leitender Fachbeamter Vermessung beim Landratsamt Ortenaukreis mit neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an das Max gekommen. Sie stellen Neuntklässlern einen Berufszweig vor, der selten in der Öffentlichkeit steht. Mit solchen Aktionen möchten wir unseren Beruf bekannter machen und um Nachwuchs werben. Daher findet landesweit diese Aktionswoche statt", sagt Komenda. "Außerdem", fügt er schmunzelnd hinzu, "wollen wir zeigen, dass es sich lohnt, im Matheunterricht aufzupassen." An drei Stationen können die Schülerinnen und Schüler verschiedene Geräte und Messverfahren praktisch ausprobieren. Mit einem Theodolit bestimmen sie die Gebäudehöhe des Hauptgebäudes. Dabei erfolgt die Berechnung mit Hilfe des Tangens im vertikalen Dreieck. An der zweiten Station werden die Seitenlängen eines Trapezes bestimmt. Dazu werden ein Winkelprisma (eine optische Vorrichtung zur Bestimmung rechter Winkel), ein Senkellot und ein Maßband benötigt. Beim Rechnen wird der Satz des Pythagoras angewandt. Die dritte Aufgabe kommt aus der Leichtathletik. Dort wird zum Beispiel beim Speerwurf oder beim Kugelstoßen eine indirekte Streckenmessung mit einem Maßband und einem Tachymeter durchgeführt. Hier wird zur Berechnung der Cosinus-Satz angewandt. "Die Schülerinnen und Schüler sollen einen Eindruck davon bekommen, was man messen kann", erläutert Komenda. Natürlich finde die Arbeit eines Geodäten häufig im Büro statt, aber ebenso im Gelände. "Unser Beruf ist sehr vielseitig", stellt er fest, "Wir arbeiten mit anderen Disziplinen zusammen, zum Beispiel mit Bauingenieuren, Landwirten und Architekten. Dadurch erhält unsere Arbeit immer wieder neue Impulse." Er hoffe, durch die Aktionswoche den ein oder anderen Praktikanten oder gar Auszubildenden zu gewinnen. Auch die Mathematiklehrer Eberhard Rückert, Jürgen Döring und Dieter Faißt freuen sich, dass die praktische Abwechslung von Mathematikunterricht so gut ankommt: "Wenn die Schüler im Matheunterricht immer so konzentriert bei der Sache wären..." Zum Hintergrund: Geodäsie, die Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche kommt in vielen Bereichen zum Einsatz kommt. Neben der klassischen Kataster- und Liegenschaftsvermessung, sind Geodäten bei Erdbeobachtungen aller Art gefragt. Sie arbeiten bei der Landvermessung durch Satelliten und Flugzeuge, beobachten die Vegetation, um beispielsweise den günstigsten Dünge- und Erntezeitpunkt ermitteln zu können. Ebenso liefern sie Daten zu Erdbewegungen an Vulkanen, Erdrutschen sowie Meeresspiegelschwankungen, die von anderen Geowissenschaftlern genutzt werden, welche damit Simulationen erstellen oder Naturereignisse vorhersagen können. Es gibt auch Bedarf an Geodäten in der Auto- und Flugzeugindustrie und in weiteren Wirtschaftsbereichen.

Andreas Laug